Immer wieder wird in Medien davon berichtet, wenn Spitzensportler schwere Verletzungen erleiden. Der Grund, warum das für die Öffentlichkeit in jenen Momenten interessant ist, ist meist das Leid, das für den Athleten damit einhergeht. Schafft der Sportler den Wiedereinstieg findet man Berichte darüber meist nur noch in sportaffinen Medien. Die, die es nicht schaffen bleiben im Nachhinein meist unerwähnt oder bekommen dann noch einmal mediale Aufmerksamkeit wenn sie sich beim versuchten Wiedereinstieg erneut verletzen. Ein interessantes Beispiel dafür ist Holger Badstuber vom FC Bayern München. Dieser erlitt Ende 2012 einen Kreuzbandriss. Er kam aus der Rehabilitation und erlitt erneut, nur 6 Monate nach der ersten, die selbe Verletzung an gleicher Stelle. Nach langer Verletzungspause startete er zur Saison 2014/2015 wieder, erlitt aber eine weitere Muskelverletzung. Aktuell stand er Anfang Februar zum ersten Mal wieder in der Bundesliga Start-Elf des FC Bayern München. Die Zeit nach seinen schweren Verletzungen blieb zumindest von der allgemeinen medialen Berichterstattung weitestgehend unbeachtet und rückte erst wieder zu seinem Comeback Ende 2014 / Anfang 2015 in den Fokus. Dennoch war genau diese Zeit, die wichtigste in seinem Rehabilitationsverlauf. Neben professioneller physischer Behandlung und Rehabilitation arbeitete er mit einem Mental-Trainer zusammen. Ohne diesen hätte Badstuber diese lange schwere Zeit zumindest mental wahrscheinlich nicht meistern können.
Die Wahrscheinlichkeit für Sportler sich eine Verletzung zuzuziehen ist nicht rein von physischen Faktoren abhängig. Eine wesentliche Rolle spielt die aktuelle psychische Verfassung des Athleten. Damit ist auch, aber nicht nur die Tagesverfassung gemeint. Grundsätzlich wird von den meisten Menschen unterschätzt, wie sehr sich Ereignisse, die sich z.T. bis vor einem ganzen Jahr ereignet haben auch noch aktuell, wenn auch oft unterbewusst auf das psychische Wohlbefinden und damit auf die Konzentration auswirken. Wie sehr bzw. in welchem Maß sich dieser Stress dann tatsächlich auswirkt ist vor allem davon abhängig, wie gut die jeweilige Person mit Stress umgehen kann. Zentrale Aspekte sind dabei die Wahrnehmung der Situation, die entsprechenden Körperreaktionen und welche Gedanken und Emotionen damit verbunden sind.
Welche Auswirkungen die Verletzung im weiteren auf den Sportler haben kann hängt natürlich zuerst einmal von der Art und Schwere der Verletzung ab. Ungeachtet aller Willensstärke und Optimismus, die eine Person möglicherweise kennzeichnen, wird eine Verletzung ohne professionelle physische Behandlung und Rehabilitation nicht in den Griff zu kriegen sein. Allerdings hängt der Regenerationsverlauf sowie die Vorbereitung auf einen möglichen Wiedereinstieg in den Sport ebenso von psychischen Faktoren ab. Für viele, die so etwas selber nicht miterlebt haben ist es oft nicht nachvollziehbar wie eine Verletzung auch im Nachhinein, also wenn sie physisch eigentlich komplett ausgeheilt ist, den Athleten immer noch beeinflussen kann. Durch verschiedene Assoziationen sitzt eine Art Blockade im Kopf, die eben stört. Ein gutes Beispiel, um das annähernd nachvollziehen zu können bietet folgende Vorstellung: Man lässt seine Schultern frei kreisen, dann klemmt man sich einen Tennisball unter den Arm und lässt die Schultern erneut kreisen. Die Bewegung wird eingeschränkt sein und nicht mehr so wie vorher ablaufen. Erst wenn der Tennisball (also die Blockade) wieder weg ist, wird eine Bewegung wie vorher wieder möglich.
Wenn es sich nur um eine verhältnismäßig leichte Verletzung handelt und die Regeneration bzw. Ausheilung in naher Zukunft liegt, bleibt der Athlet meist ohne große Beeinträchtigungen. Wenn die Verletzung jedoch eine bestimmte Schwere hat (wobei zu beachten ist, dass eine bestimmte Verletzung in einer Sportart weniger oder eben gravierend mehr Bedeutung haben kann als in einer anderen Sportart) lassen sich bestimmte Phasen bezeichnen, die der Sportler im Anschluss typischerweise durchläuft.
1. Die „Nein, dass kann nicht sein“-Phase:
Der Athlet will nicht akzeptieren, dass er sich diese bestimmte Verletzung zugezogen hat. Nicht selten spielt er die Schwere bzw. das Ausmaß der Verletzung herunter.
2. Die Wut-Phase: Der Athlet beginnt die schwere der Verletzung zu realisieren und es baut sich starker Ärger auf. Es wird jemand oder etwas gesucht dem die Schuld für die Verletzung gegeben werden kann.
3. Die Jammer-Phase:
Der Athlet hat seine Verletzung vollständig realisiert und leidet.
4. Die Depressiv-Phase:
Der Athlet ist überfordert und die negativen Gedanken ziehen ihn runter. Er sieht keine Lösung und keine Besserung.
5. Die „Es geht bergauf“-Phase:
Der Athlet hat die Verletzung akzeptiert und verstanden, dass er mit der Situation umgehen muss. Das Erlebte ist sein Standpunkt, um sich wieder bzw. neu zu orientieren.
Diese Phasen können je nach Schwere der Verletzung, Persönlichkeit des Athleten und teilweise auch nicht vorhersehbaren Faktoren unterschiedlich lang dauern. Teilweise ziehen sie sich über Jahre oder werden gar nicht überwunden.
Wie kann z.B. ein Sportpsychologe und Mentaltrainer den Athleten unterstützen?
Im Prinzip ist die Arbeit, die ein Betreuer auf psychischer Ebene leisten kann an 3 Stufen und entsprechenden Zielen orientiert.
Die Akut-Stufe:
Die erlebte Hilflosigkeit muss überwunden werden – Der Athlet muss das Gefühl bekommen, dass er Herr der Situation ist und den Heilungsprozess selber aktiv beeinflussen kann.
Die Übergangs-Stufe (sportliche Rehabilitation):
Der Athlet muss seine Situation und seinen Rehabilitationsverlauf realistisch einschätzen können. Stimmt das Selbstbild über Rehabilitations- und Leistungsstand des Athleten nicht mit der Realität überein kommt es oft zu erneuten oder Wieder- Verletzungen.
Die Wiedereinstiegs-Stufe:
Der Athlet muss mit Ängsten und Druck die der Wiedereinstieg mit sich bringt umgehen können. Andernfalls kann er seine Leistungsfähigkeit nicht richtig einschätzen und Erwartungen nicht erfüllen.
Sportpsychologen und Mentaltrainer unterstützen in diesen Stufen vor allem im Hinblick auf positiven Umgang mit der Situation, realistisches Zielsetzungen, Umgang mit Stress und Angst bei der Rückkehr in den Sport. Dadurch dann nachhaltig zugleich dahingehend, dass die Verletzung auch in Zukunft den Athleten nicht einschränkt und die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederverletzung sinkt.
An dieser Stelle sei nochmal betont, dass eine optimale Rehabilitation durch ein Team aus verschiedenen Bereichen geschieht. Vom Arzt über den Physiotherapeuten bis zum Ernährungsberater und nicht zuletzt eben auch mit einem Sportpsychologen & Mentaltrainer.
Zum Schluss dieses Artikels möchte ich besonderen Dank an Dr. Christopher Willis aussprechen. Er ist ausgewiesener Experte in der sportpsychologischen Aufarbeitung von Verletzungen im Sport und hat maßgeblichen Anteil an meiner Kompetenz in diesem Themen-Bereich.
Silvester Kiunka
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