London, 2012. 100m Schmetterlingstil der Männer. Michael Phelps, US-amerikanischer Schwimmer geht an den Start. Er wirkt ein wenig introvertiert, als er zum Becken geht und zwei oder drei mal tief ein- und ausatmet. Er hat große Kopfhörer auf und hört „Lil Wayne“. Es scheint so, als sei er mit seinen Gedanken irgendwo anders. Er steht auf dem Startblock, das Startsignal ertönt, schreiende Zuschauer und viel Bewegung im Wasser. Michael Phelps gewinnt Gold. Nicht zum ersten Mal. Er ist erfolgreichster Olympiaschwimmer aller Zeiten mit insgesamt 22 Medaillen, davon 18 in Gold. Neben exzellenter physischer Verfassung und entsprechenden Rahmenbedingungen spielt laut seiner eigenen Aussage ein weiterer Faktor eine entscheidende Rolle für seinen Erfolg. Mentale Stärke durch mentales Training – Michael Phelps gilt als einer der Perfektionisten auf diesem Gebiet.
Doch was zeichnet mentales Training eigentlich aus? Die Antwort ist im Prinzip ganz einfach. Mentaltraining ist der Oberbegriff für Techniken und Strategien, mit denen man an der eigenen Performance arbeiten und diese im Idealfall verbessern kann. Ebenso kann mentales Training aber auch dazu dienen mit Rückschlägen und Stress umzugehen.
Es lassen sich bestimmte Zielbereiche herausstellen, die mit mentalem Training im Sport hauptsächlich verfolgt werden. Dabei handelt es sich um:
-Mentales Fertigkeitstraining: Eine Art Bewegungstraining vor dem geistigen Auge – also Bewegungsvorstellung ohne aktive körperliche Handlung. Dabei lernt man z.B. wichtige Aspekte der Bewegung kennen, die einem vorher noch gar nicht bewusst waren. Es passieren in der Ausführung weniger Fehler, da man die Bewegung quasi besser kennt und beherrscht.
-Aktivierungsniveau und Aufmerksamkeit: Für jede Handlung gibt es einen optimalen Bereich an Aktivierung. Ist man zu erregt, also z.B. zu nervös oder aufgeregt, wird man es nicht schaffen, die benötigte Aufmerksamkeit auf den wichtigen Prozess (z.B. die bestimmte Bewegungstechnik) zu legen. Was hilft ist Entspannung – diese können wir durch mentale Techniken & Strategien ansteuern. Der seltenere aber dennoch existente Fall ist, dass man nicht genug erregt ist, z.B. durch Müdigkeit oder mangelnde Motivation. In diesem Fall hilft mentales Training sich zu mobilisieren und zu aktivieren.
-Selbstwirksamkeit: Setzt man seine Ziele zu hoch, wird man sie nicht erreichen können, weil einem die Fähigkeiten dazu fehlen. Setzt man sie zu niedrig, wird man sein Potenzial nicht ausschöpfen können. Es ist also wichtig realistische Einschätzungen darüber zu haben, was man wirklich kann. Wo die Stärken und Möglichkeiten liegen, aber auch die Schwächen und Grenzen. Nur so kann man angemessene Ziele setzen, sich zu diesen motivieren und mit hinderlichen Gedanken umgehen lernen.
-Umgang mit Verletzungen und Blockaden: Der Arzt sagt, die Verletzung ist vollkommen ausgeheilt – eigentlich müsse alles wieder 100% funktionieren. Tut es aber nicht, da der Kopf sich immernoch an die Verletzung und alles was damit in Verbindung stand und steht erinnert. Durch mentales Training kann man z.B. „Phantomschmerz“ behandeln und Blockaden lösen. Es kommt dabei allerdings auch immer auf Art und Schwere des Traumas an.
Mentales Training findet aber nicht nur im Sport Anwendung. Es hat einen hohen Stellenwert in der klinischen Psychologie sowie in der Behandlung von (körperlichen) Erkrankungen. Was jedoch für die meisten besonders interessant sein könnte, ist die Einsetzbarkeit und der entsprechende Nutzen für den „ganz normalen“ Alltag. Gerade im Hinblick auf Arbeit und Beruf sind z.B. Techniken zum Fördern der eigenen Motivation oder Kreativitätstraining – gerne auch bezeichnet als „Gehirnjogging“ – unheimlich nützliche Tools. Vor allem kann mentales Training aber auch im Alltag und Beruf helfen mit Stress, Druck und Ängsten besser umgehen zu können. Dabei unterscheiden sich die verwendeten Techniken und Strategien oftmals gar nicht von denen, die z.B. ein Sportler benutzt. Sie sind jeweils bloß für das individuelle Anliegen ausgewählt und darauf abgestimmt. Wenn mentales Training Michael Phelps geholfen hat Gold zu gewinnen, wäre es doch auch gar nicht so unwahrscheinlich, dass es Ihnen hilft ihr persönliches Gold zu gewinnen.
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